Der Vermögensausgleich bei Scheidung

Mit einer Heirat leben die Ehegatten aus rechtlicher Sicht automatisch im Güterstand der Zugewinngemeinschaft. In diesem Güterstand gibt es kein gemeinsames Vermögen. Ihnen gehört also nichts gemeinsam. Sie bleiben Alleineigentümer der Ihnen vor und während der Ehe gehörenden Sachen. Nur wenn Sie etwas gemeinsam erwerben, z.B. ein Grundstück, und das Miteigentum des anderen Ehegatten zu ½  in das Grundbuch eingetragen wird, sind Sie beide Eigentümer.

Kurz gesagt:  Auch nach der Heirat bleiben Sie Alleininhaber Ihres Vermögens und zwar sowohl hinsichtlich des Vermögens, das Sie vor der Eheschließung besaßen, als auch bezüglich des Vermögens, welches Sie nach der Eheschließung erworben haben.

  1. (Keine) Haftung für Schulden des anderen Ehegatten in der Zugewinngemeinschaft

Im Güterstand der Zugewinngemeinschaft haften Sie als  Ehegatte nur für Ihre eigenen vor oder während der Ehe begründeten Verbindlichkeiten bzw. Schulden, es sei denn Sie haben, z.B. im Rahmen eines Bankkredits, eine Mithaftung des anderen Ehegatten gesondert vereinbart.

  1. Der Ausgleich des Vermögens bei Scheidung in Form einer Geldzahlung

Da die Vermögensmassen getrennt bleiben, findet der Ausgleich nur in Form eines Zahlungsbetrags statt. Sie haben keinen Anspruch auf Übertragung des Eigentums, z.B. an Immobilien oder an Wertgegenständen. Der Erwerb von Wertgegenständen und Immobilien durch einen Ehegatten während der Ehe wird aber im Rahmen des Zugewinnausgleichsanspruchs wertmäßig berücksichtigt. Dies gilt übrigens auch für den Fall, dass sich das Vermögen eines Ehegatten während der Ehe vermindert hat. In einem solchen Fall gibt es u.U. keinen Zugewinn und damit keinen Vermögenszuwachs, der im Rahmen der Ehescheidung auszugleichen wäre. Einen negativen Zugewinn bzw. negatives Vermögen gibt es jedoch nicht.

Ein vereinfachtes Beispiel ohne Bewertung anhand der Verbraucherpreisindizes:

2.1. Das Anfangsvermögen

Das Anfangsvermögen ist das Vermögen, das der jeweilige Ehegatte zu Beginn der Ehe besitzt. Die Ehefrau geht mit 100.000 € in die Ehe und der Ehemann besitzt zum Zeitpunkt der Hochzeit 300.000 €. Betrachtet wird dabei nicht nur das Barvermögen und das Bankguthaben, sondern es werden alle Vermögenswerte, wie z.B. Aktien, Immobilien, Schmuck, Antiquitäten, Gemälde, Fahrzeuge etc. einbezogen.

2.2. Das Endvermögen

Das Endvermögen bezeichnet das Vermögen, das der jeweilige Ehegatte im Zeitpunkt der Zustellung des Scheidungsantrags hat (§§ 1375 Abs. 1, 1384 BGB i.V.m § 261 Abs. 1 ZPO). Auch hier zählen alle Gegenstände, die einen Vermögenswert besitzen hinzu, also z.B. der während der Ehe erworbene Sportwagen. Die Ehefrau kann Barvermögen, Bankguthaben und Sachwerte in Höhe von 600.000 € ihr eigen nenne und der Ehemann Bankguthaben, Aktien und eine Immobilie im Wert von insgesamt 500.000 €.

2.3. Die Berechnung des Zugewinns

Das Endvermögen abzüglich des Anfangsvermögens ergibt den Zugewinn an Vermögen während der Ehezeit. Die Ehefrau hat in unserem Beispiel einen Zugewinn von 500.000 € und der Ehemann von 200.000 € erzielt.

2.4. Die Bestimmung des ausgleichspflichtigen Ehegatten

Zum Ausgleich herangezogen werden kann der Ehegatte, der mehr Zugewinn erwirtschaftet hat. In dem Beispiel ist die Ehefrau ausgleichspflichtig, da sie einen höheren Zugewinn (500.000 €) als der Ehemann (300.000 €) erwirtschaftet hat.

Der Zugewinnausgleichsanspruch knüpft hierbei nicht an das bloße Endvermögen und daran damit an, wer am Ende der Ehe „mehr“ hat. Sondern es soll der tatsächliche Wertzuwachs während der Ehe ausgeglichen werden. Hintergrund ist das gesetzliche Leitbild, das davon ausgeht, dass an einem Vermögenszuwachs während der Ehezeit beide Ehegatten ihren Anteil geleistet haben.

Da nur der Wertzuwachs des Vermögens ausgeglichen wird, kann es beispielsweise sein, dass der im Grunde vermögendere Ehegatte, der mit 1.000.000 € in die Ehe geht und als Endvermögen weiterhin 1.000.000 € hat, von seinem Ehegatten der mit 0 € in die Ehe geht und zum Ende der Ehe einen Betrag von 500.000 € erwirtschaftet hat, einen Anspruch auf Zugewinnausgleich geltend machen kann.

2.5. Die Berechnung des Zugewinnausgleichsanspruchs

Der Betrag des Zugewinns beläuft sich auf die Hälfte des Betrages, um den der Zugewinn des einen Ehegatten den des anderen Ehegatten übersteigt. Der Zugewinn errechnet sich aus der Differenz zwischen dem Anfangs- und Endvermögen eines Ehegatten. Der Ehegatte, der den größeren Wertzuwachs verzeichnen kann, schuldet dem anderen dann die Hälfte des Zuwachses. Im Beispiel der Ehefrau mit 100.000 € Anfangs- und 600.000 € Endvermögen beträgt der Zugewinn 500.000 €. Der Ehemann hat einen Zugewinn von 200.000 €.

Aufgrund des höheren Wertzuwachses ist die Ehefrau im Zugewinnausgleich ausgleichspflichtig.

Dem Ehemann steht als Ausgleichsforderung der hälftige Differenzbetrag aus den beiden Zugewinnbeträgen zu: Der Differenzbetrag beläuft sich auf 300.000 € (500.000 € – 200.000 €) = 300.000 €. Die Hälfte des Differenzbetrages, und damit also 150.000 € würde dem ausgleichsberechtigten Ehemann als Zugewinnausgleichsanspruch zustehen.

  1. Die Durchsetzung des Zugewinnausgleichsanspruchs

Die Ausgleichsforderung muss der ausgleichsberechtigte Ehegatte beziffert geltend machen. Das Gericht wird bei der Scheidung ansonsten keinen Vermögensausgleich vornehmen.

3.1. Die Auskunftspflicht, § 1379 BGB

Um herauszufinden, ob überhaupt ein Ausgleichsanspruch besteht, haben die Ehegatten die Pflicht einander Auskunft zu erteilen. Auf Aufforderung sind auch Belege vorzulegen.

3.2. Zeitpunkt der Geltendmachung

Zugewinnausgleichsanspruch wird üblicherweise im Zuge der Ehescheidung geltend gemacht. Die Ausgleichsforderung selbst entsteht mit der rechtskräftigen Scheidung. Von diesem Zeitpunkt an ist der Zugewinnausgleichsanspruch vererblich und übertragbar. Die Verjährung des Zugewinnausgleichsanspruchs beträgt drei Jahre. Sie können also, wenn Sie beispielsweise im Juni 2017 rechtskräftig geschieden wurden, den Ausgleichsanspruch bis zum 31.12.2020 geltend machen.

  1. Der vorzeitige Zugewinnausgleichsanspruch, § 1385 BGB

In besonderen Fällen kann sogar ein sogenannter vorzeitiger Zugewinnausgleich bei vorzeitiger Aufhebung der Zugewinngemeinschaft verlangt werden. Dies gilt für den Fall, dass vermögensmindernde Manipulationen eines Ehegatten bei einer geplanten, aber noch nicht gerichtlich beantragten Scheidung zu befürchten sind oder sie beispielsweise den anderen Ehegatten nicht mehr an einem Vermögenszuwachs teilhaben lassen wollen. Der vorzeitige Zugewinnausgleichsanspruch spielt nur für die Zeit vor der Zustellung des Scheidungsantrags an den anderen Ehegatten eine Rolle.

Lassen Sie sich am besten von fachkundigen Rechtsanwälten im Familienrecht beraten.

 

Die Beispielsberechnung mit den Vermögenswerten in Tabellenform:

 

                          Ehefrau                    Ehemann
Anfangsvermögen                          100.000,00 €                300.000,00 €
Endvermögen                          600.000,00 €                500.000,00 €
Zugewinn                          500.000,00 €                200.000,00 €
Differenz: 300.000,00 €  

Ausgleichsanspruch:                                                                                                                                          150.000,00 €