Internationales Erbrecht am Beispiel eines Deutsch-Ungarischen Erbfalls:
Rechtliche Aspekte bei internationalen Erbschaftsangelegenheiten in Deutschland
Von einem internationalen Erbfall wird gesprochen, wenn eine Person
- mit Vermögenswerten in mehreren Ländern verstirbt,
- in einem Land verstirbt und Erben bzw. Angehörige in einem anderen Land hinterlässt,
- als Angehöriger eines Staates in einem anderen Staat gestorben ist.
In diesem Artikel betrachten wir den Fall, dass ein Ungar in Deutschland verstirbt, wo er seit vielen Jahren gelebt und gearbeitet hat. Ein Testament hat er nicht hinterlassen.
Beispiel eines Deutsch-Ungarischen Erbfalls
Deutschland und Ungarn sind beide Mitglieder der Europäischen Union, was bei der Abwicklung von Erbfällen grundsätzlich von Vorteil ist.
Deutschland und Ungarn haben aber natürlich verschiedene Rechtsordnungen und – natürlich – unterschiedliche Rechtssprachen.
Es ist für die gelungene Abwicklung eines Erbfalls wichtig zu erkennen, welches Recht anwendbar ist.
Anwendbares Erbrecht: Deutsches oder ungarisches Recht?
In einem deutsch-ungarischen Erbfall ist für die Frage des anwendbaren Rechts entscheidend, ob der Erblasser eine Rechtswahl getroffen hat. Hat er keine Rechtswahl getroffen, kommt es auf den Ort des gewöhnlichen Aufenthalts an.
Ein Ungar, der in Deutschland lebt, kann testamentarisch verfügen, welches Recht für die Abwicklung seines Nachlasses zur Anwendung kommen soll (Rechtswahl). Vollkommen frei ist er dabei nicht, er kann aber das Recht des Landes wählen, dessen Staatsbürgerschaft er hat oder das Recht des Staates, in dem er sich für gewöhnlich aufhält.
Hat der Erblasser keine Rechtswahl getroffen, kommt das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts zur Anwendung.
Der gewöhnliche Aufenthalt ist manchmal nicht leicht zu bestimmen, z.B. wenn der Erblasser mehrere Wohnorte hat. In unserem Beispiel ist aber von einem gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland auszugehen. Komplizierter wird es, wenn der Erblasser mehrere Wohnsitze hatte und sich sein Hauptwohnsitz nicht so einfach bestimmen lässt.
Konsequenzen des anwendbaren Rechts:
Die Frage, welches Recht zur Anwendung kommt, beeinflusst unter anderem die gesetzliche Erbfolge, die Gültigkeit von Testamenten, die Regeln über die Verteilung des Nachlasses und das Pflichtteilsrecht um nur einige wichtige Punkte zu nennen.
Es ist wichtig zu beachten, dass die Rechtswahl im Testament oder Erbvertrag klar und eindeutig formuliert sein muss, um mögliche Missverständnisse oder Streitigkeiten zu vermeiden.
Darüber hinaus können steuerliche Aspekte je nach gewähltem Recht unterschiedlich sein. Es liegt auf der Hand, dass diese Fragen bei der Gestaltung von Testamenten beachtet werden sollten.
Zuständiges Gericht bei einem deutsch-ungarischen Erbfall
Eine andere Frage als das anwendbare Recht ist die Frage danach, welches Gericht für das Nachlassverfahren zuständig ist.
Bei einem deutsch-ungarischen Erbfall ist wie in anderen Erbfällen prinzipiell das Nachlassgericht am Wohnsitz des Verstorbenen für die Nachlassangelegenheiten zuständig.
Es kann also sein, dass ein deutsches Gericht zuständig für die Erteilung eines Erbscheins (s.u.) ist, jedoch ungarisches Recht für die Abwicklung des Nachlasses entscheidend ist.
Annahme des Erbes oder Ausschlagung
Richtet sich der Erbfall wie in unserem Beispiel nach dem deutschen Recht, muss das Erbe nicht aktiv angenommen werden. Das Erbe wird nämlich von allein angetreten, sofern es nicht ausgeschlagen wird.
Die Frist für die Ausschlagung beträgt für Erben in Deutschland sechs Wochen. Sie beträgt sechs Monate, wenn der Erblasser seinen letzten Wohnsitz nur im Ausland gehabt hat oder wenn sich der Erbe bei dem Beginn der Frist im Ausland aufhält. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in welchem der Erbe von dem Anfall und dem Grund der Berufung Kenntnis erlangt (§ 1944 BGB).
Die Ausschlagung erfolgt durch Erklärung gegenüber dem Nachlassgericht; die Erklärung ist zur Niederschrift des Nachlassgerichts oder in öffentlich beglaubigter Form abzugeben. Öffentlich beglaubigte Form heißt, dass die Unterschrift des Ausschlagenden von einem deutschen Notar beglaubigt werden muss. Im Ausland lebende Erben, die es schwer haben, zum Nachlassgericht oder einem deutschen Notar für die Erbausschlagung zu reisen, können ihre Erklärung durch einen Konsularbeamten in einer Auslandsvertretung der Bundesrepublik Deutschland im Ausland beglaubigen lassen. Dies lässt sich aber regelmäßig auch durch eine Beglaubigung durch einen ausländischen Notar ersetzen, bspw. wenn die Fahrtwege zu einem deutschen Konsulat oder der Botschaft insbesondere unter Berücksichtigung der persönlichen Umstände des Erklärenden zu lang sind oder die Wartezeiten in der konsularischen Abteilung der Auslandsvertretung mehrere Monate betragen, wie es manchmal der Fall ist.
Das Wichtigste zur Erbfolge
Mit dem Tod des Erblassers gehen nach deutschem Recht alle seine Rechte und Pflichten auf die Erben über (§ 1922 Absatz 1 BGB). Das heißt, dass bestehende Verträge nicht einfach enden, sondern von den Erben gekündigt werden müssen, wenn das gewünscht ist. Geerbt wird nicht nur das Vermögen, sondern auch etwaig vorhandene Schulden.
Nachlassverbindlichkeiten sind sowohl die Schulden des Erblassers, als auch die Kosten für die Abwicklung des Nachlasses und die Erbschaftssteuer sowie die Beerdigungskosten etc. Diese Kosten können grundsätzlich aus dem Nachlass bestritten werden.
Ob eine Mietwohnung von den Erben übernommen werden kann oder soll, muss anhand des Mietvertrags besonders geprüft werden. Die Erben haben bei Mietverhältnissen regelmäßig ein Sonderkündigungsrecht, von dem sie innerhalb eines Monats nach Kenntnis vom Todesfall Gebrauch machen können. Im Ausland lebende Erben haben natürlich meist kein Interesse an einer Mietwohnung in Deutschland.
Doch wer erbt überhaupt, wenn eine Person stirbt? Das entscheidet sich nach deutschem Recht entweder nach der gewillkürten Erbfolge (Testament oder Erbvertrag) oder aber nach der gesetzlichen Erbfolge, wenn der Verstorbene keine letzwilligen Verfügungen getroffen hat. Da der Erbvertrag seltener ist, wird hier nur auf das Testament eingegangen. Für den Erbvertrag gilt jedoch meist Entsprechendes.
Testament
Das Testament (gewillkürte Erbfolge) Ein zentraler rechtlicher Aspekt eines Erbfalls ist die Frage, ob ein Testament vorhanden ist. Ein Testament kann beim Nachlassgericht oder aber auch zuhause oder an einem anderen Ort aufbewahrt werden. Notare bewahren Testamente nicht auf, sondern geben diese in amtliche Verwahrung beim Nachlassgericht. Es ist für jedermann verpflichtend, ein aufgefundenes Testament oder etwas, worin auch nur ein Testament zu sehen sein könnte, nach Kenntnis des Erbfalls unverzüglich beim zuständigen Nachlassgericht abzuliefern (§ 2259 BGB). Dort wird das Testament eröffnet und die im Testament genannten Erben und sonstigen Beteiligten (z.B. Pflichtteilsberechtigte) werden über den Inhalt informiert.
Die gesetzliche Erbfolge
Ohne Testament richtet sich die Erbfolge nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB). Hier sind die nächsten Verwandten, also regelmäßig neben dem Ehegatten die Kinder des Verstorbenen zu Erben berufen. Hatte dieser keine Kinder, kommen die Eltern oder Geschwister in Betracht (§ 1924 ff. BGB). Gibt es hingegen ein Testament, so bestimmt dieses die Erben.
Pflichtteil
Werden nahe Verwandte durch das Testament des Erblassers enterbt, haben sie oft einen Anspruch auf den sog. Pflichtteil. Als Pflichtteilsberechtigte kommen grundsätzlich die Abkömmlinge, der Ehepartner und die Eltern in Betracht, wenn diese ohne ein Testament gesetzliche Erben geworden wären. Der Pflichtteil beträgt in Deutschland die Hälfte des gesetzlichen Erbteils und ist immer auf Geld und nicht auf Gegenstände im Nachlass gerichtet (BGB §2303). Die Berechnung der Pflichtteilsquote ist Sache von Rechtsanwälten, um Fehler zu vermeiden.
Beim Berliner Testament setzen sich Ehepartner gegenseitig als Alleinerben ein und bestimmen meist, dass nach dem Tod des zuletzt versterbenden Ehepartners der Nachlass an die Kinder geht. Die Kinder sind nach dem ersten Erbfall also enterbt, da sie erst später erben sollen und können daher ihren Pflichtteil geltend machen. Häufig gibt es im Berliner Testament aber Strafklauseln, die die Geltendmachung des Pflichtteils unattraktiv machen.
Nachweis der Erbenstellung
Das Europäische Nachlasszeugnis (ENZ) dient dazu, den Erben oder anderen Berechtigten in grenzüberschreitenden Fällen den Nachweis über ihre Rechtsstellung in einem anderen Mitgliedsstaat zu ermöglichen.
Das Europäische Nachlasszeugnis wird auf Antrag von dem zuständigen Gericht des Mitgliedsstaates ausgestellt, in dem der Erblasser seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte.
Diese Regelungen sind besonders wichtig für Erbfälle mit Bezug zu Ungarn. Wenn wie in unserem Beispiel ein ungarischer Staatsbürger mit Wohnsitz in Deutschland Vermögen in Ungarn hinterlässt, kann mit Hilfe des Europäischen Nachlasszeugnisses die Erbenstellung in Ungarn nachgewiesen werden und über das dortige Vermögen von den Erben verfügt werden.
Das Europäische Nachlasszeugnis ist zwar als Formular in den Amtssprachen der Mitgliedsstaaten verfügbar. Das Nachlassgericht wird dieses allerdings nur in seiner Amts- bzw. Gerichtssprache ausfertigen. Das Nachlasszeugnis muss daher für den Einsatz im Ausland in aller Regel noch übersetzt werden. Auf die Legalisation bzw. die Haager Apostille kann hingegen verzichtet werden (Art. 74 EuErbVO).
Hinterlässt der Erblasser nur Vermögen in Deutschland, kann ein Antrag auf Erteilung eines Erbscheins gestellt werden.
Die Beantragung eines Erbscheins bzw. eines Europäischen Nachlasszeugnisses ist mit Kosten verbunden, die mit dem Wert des Nachlasses steigen. Doch nicht immer ist die Beantragung erforderlich. Existiert ein notarielles Testament, dass eröffnet wurde, ersetzt diese einen Erbschein in aller Regel vollständig. Sogar Immobilien können unter Vorlage desselben umgeschrieben werden. Hat der Erblasser Vermögen im EU-Ausland, kann trotz Vorhandensein eines notariellen Testaments die Beantragung eines Europäischen Nachlasszeugnisses erforderlich sein.
Die Legitimation als Erbe muss aber nicht in allen Fällen durch ein notarielles Testament oder einen Erbschein erfolgen. Erben können ihre Erbenstellung gegenüber Banken und anderen häufig auch durch Vorlage eines Auszugs aus dem Familienstammbuch nachweisen. Um einen Erbschein oder ein ENZ zu beantragen, müssen die Erben beim zuständigen Nachlassgericht einen Antrag stellen. Hierbei fallen Gebühren an, die sich nach dem Wert des Nachlasses richten. Die Richtigkeit der Angaben im Antrag muss in öffentlich beglaubigter Form versichert werden. Für diese Form gilt das zur Erbausschlagung Gesagte (s.o.).
Erbengemeinschaft und Auseinandersetzung
Bei mehreren Erben entsteht eine Erbengemeinschaft, die den Nachlass gemeinsam verwaltet (§ 2032 BGB). Ziel der Erbengemeinschaft ist grundsätzlich die Gemeinschaft durch Auseinandersetzung zu beenden. Dabei wird der Nachlass aufgeteilt oder verkauft und der Erlös verteilt (§ 2042 BGB).
Testamentarisch kann angeordnet werden, dass der Nachlass für eine bestimmte Zeit nicht auseinandergesetzt werden darf, was in der Regel mit der Anordnung einer Testamtentsvollstreckung einhergeht.
Steuern im Erbfall
Je nach Erbschaftssteuerklasse und Höhe des Erbes fällt Erbschaftssteuer an. Der Freibetrag variiert je nach Verwandtschaftsgrad zum Erblasser. Bei Ehepartnern beträgt der Freibetrag 500.000 Euro, bei Kindern und Stiefkindern 400.000 Euro und bei Enkelkindern 200.000 Euro. Bei anderen Personen beträgt der Freibetrag nur 20.000 Euro (§ 16 Erbschaftssteuergesetz). Je nach Verwandtschaftsgrad und Höhe der Erbschaft ist dann der Rest oberhalb des Freibetrages mit 7 bis 50 % zu versteuern.
Hilfe bei Erbstreitigkeiten
Bei Streitigkeiten können Rechtsanwälte, Mediatoren und Notare helfen. Diese bieten Beratung und Unterstützung bei der Regelung des Nachlasses.